Die Taubnessel – die dezente Schönheit

Im Museum empfiehlt es sich oft, ein Kunstwerk aus unterschiedlichen Entfernungen zu bewundern. Die Taubnessel, ob rot oder weiß, verdient es, ganz nahe betrachtet zu werden.

Die Wildpflanze gehört zu den „Lippenblütern“ und lockt übrigens mit unterschiedlichen Blütenfarben auch unterschiedliche Insektenarten an. Das Insekt, etwa eine Hummel, muss etwas in den Schlund der Blüte kriechen und damit wird zunächst der Rücken des Tieres bestäubt. So erklärt sich schnell der griechische Name „Lamium“, denn das bedeutet soviel wie Rachen oder Schlund.

Die Rote Taubnessel Lamium purpureum blüht vom März bis Oktober, die Weiße Taubnessel Lamium album von April bis September. Beide werden und wurden als Heilpflanzen eingesetzt.

Die Weiße Taubnessel, auch Bienensaug, Zauberkraut, Honigblom genannt, wurde in der Frauenheilkunde gegen den „Weißfluss“, was immer das ist, benutzt. Auch bei Blasenleiden, Darmstörungen, Husten, Menstruationsbeschwerden, leichte Verbrennungen soll diese kleine Pflanze helfen.

Die Rote Taubnessel soll neben blutstillender Fähigkeiten auch harntreibende, blutreinigende, kräftigende und erfrischende Wirkung zeigen. Umschläge wirken bei Blutergüssen und Schwellungen heilend.

Diese „zahmen Nesseln“ kann man wenigstens berühren. Auch wenn die Blätter denen der Brennnessel ähneln, haben sie jedoch keine Brennhaare. Wie schaffen diese Wildpflanzen es nur, sich mit unter so üppig fortzupflanzen? Ameisen schleppen die kleinen Früchte (Nüsschen) oft gar an schwer zugängliche Stellen.

Wenn man diese Pflanzen besser kennt, kommt man nicht mehr auf die Idee, sie „Unkraut“ zu nennen. Gerade in blütenärmeren Zeiten ist die Rote Taubnessel eine wichtige Nahrungsquelle für viele Insekten.

Wer wartet am Weg? – Ein Portrait der Wegwarte

Was für ein tolles Blau, strahlend wie der Himmel! Die Wegwarte (Cichorium intybus) blüht vom Juli bis Oktober in Getreidefeldern, Wegrändern und Schuttplätzen und hat schon zu allen Zeiten für Geschichten und Mythen gesorgt. Nach manchen Vorstellungen sind die seltenen weißen Blüten der Wegwarte verwunschene gute Menschen, die häufigen blauen Blüten sollen schlechte Menschen gewesen sein.

Eine häufige Geschichte ist die von der Geliebten eines Ritters, der sie wegen eines Kreuzzugs verließ. Die Gute wartete und wartete und irgendwann habe der Himmel ein Einsehen gehabt und sie in eine (weiße) Wegwarte verwandelt. Ob es sich als Pflanze besser wartet?

Allerlei Zauberkraft soll die Blume haben: mal wird behauptet, sie mache unverwundbar, mal soll sie gegen Blitzeinschlag helfen und manchmal helfe es, wenn man eine Nacht darauf schläft, damit man am nächsten Tag verlorene Dinge wieder findet. Und in der Romantik war sie Stoff für manches Liebeslied, denn die Pflanze würde helfen, Menschen für sich zu gewinnen. Sapperlot! So viele Geschichten um eine Pflanze, die man kaum beachtet.

Wirklich abenteuerlich lesen sich die Heilwirkungen. Das Kraut soll gegen fast alles helfen: Hautkrankheiten, Ekzeme, bei Krankheiten der Leber, Galle, Milz, Magen, Rotlauf, Fieber, Niere, Gelbsucht, Gicht und wer weiß noch was. Es wird äußerlich und innerlich verwendet und hält hoffentlich niemanden davon ab, bei ersten Krankheiten den Arzt auf zu suchen. Die Kulturform dieser Blume nennt sich Zichorie. Und aus der Wurzel wurde in Zeiten, in denen der Kaffee knapp wurde, ein Kaffeeersatz gemacht. Wurzel geröstet und gemahlen, fertig war das Kaffeepulver für den „Blümchenkaffee“ oder „Muckefuck“!

Trotz aller Verwendungsmöglichkeiten kann man die Wegwarte aber auch einfach stehen (und warten) lassen. Genauso wie all die Pflanzen, die jetzt und in Zukunft in der Schauanlage in Bretzenheim wachsen.

Die Weide – eine Augenweide

Weiden (Salix) sind ein Teil der heimischen Pflanzenwelt, der viel mehr Beachtung verdient. „Sie werden große Bäume und wachsen am Wasser“ – so denken viele. Dabei hat diese Gattung viel mehr zu bieten. Es gibt unter den zahllosen heimischen Arten auch solche, die als nicht zu große Sträucher wachsen und die auch Trockenheit vertragen.

Die Rinde der Weide enthält den medizinischen Wirkstoff Salicylsäure, der Fieber senkt, Schmerzen lindert und Entzündungen hemmt (industrielle Nutzung durch z.B. Aspirin).

Die Weide war im Volksglauben der Baum der Hexen und Geister und hatte den Ruf, Unfruchtbarkeit und Impotenz zu bewirken. Sie wurde deshalb immer mit Kummer und verlorener Liebe verbunden. Weidenholz zu verbrennen würde Unglück bringen! „Zauberstäbe“ und Wünschelruten waren einst u. a. aus Weidenzweigen.

Die Weide war Demeter geweiht, der Göttin der Fruchtbarkeit der Erde und galt als heilender Baum, der die Fähigkeit besaß, Unheil und Krankheit durch einen Zauberspruch auf sich zu nehmen. Man stellte sich in die hohlen Weidenstämme und „verbannte“ seine Krankheit (vor allem Fieber, Gicht) mit Gebeten.

Weiden in Klostergärten gepflanzt sollte Linderung der Lust und der Unkeuschheit bewirken.

Aber auch ohne diese Geschichten sind Weiden einfach schön und überaus nützlich. Sie gehören in jeden Naturgarten. Ihr Blattschmuck wertet jede Hecke auf, und ihre meist sehr frühen Blütenkätzchen bringen Duft und zarte Farben in den Garten. Und noch etwas: Kaum eine heimische Gehölzgattung ist für unsere Kerbtiere wie Wildbienen und Hummeln so wichtig wie die Weiden!

In den Versickerungsflächen, die an die Naturnahe Schauanlage angrenzen, wurden und werden vom Arbeitskreis Naturnahes Grün der Lokalen Agenda 21 auch Weiden angepflanzt. Und vielleicht sind sie schon bald eine „Augenweide“!

Rosen für den Igel

rosenblueteDie Rose gilt als die Königin der Blumen. Es gibt kaum einen deutscher Garten oder Park ohne eine oder mehrere Vertreterinnen dieser mittlerweile in mehreren tausend Varietäten gezüchteten Gartenblume. Ihre Bedeutung für die Tierwelt im menschlichen Siedlungsraum ist daher sehr groß.

Die Verwendung von Rosen in Gärten lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Zuerst waren es die Mönche, die wilde Rosen nicht der Zierde wegen, sondern als Heilpflanze in die Klostergärten holten. Die erste, noch sehr naturnahe und wenig verbildete Zuchtform aus heimischen Wildrosen hieß demnach auch „Apothekerrose“. Man findet sie gelegentlich noch in Bauerngärten. Ab Beginn des 19. Jahrhunderts wurden für die Gärten der Adeligen und reichen Bürgersleute die ersten modernen Gartenrosen gezüchtet. Dazu kreuzte man einheimische Arten mit ausländischen Wildformen. Ihre prachtvoll gefüllten Blüten bestehen aus zu Blütenblättern umgeformten Staubgefäßen. Das alles geht natürlich auf Kosten des Nutzens für die heimische Tierwelt. Blütenbesuchende Insekten finden in solchen Rosen keinen Nektar mehr, viele Tiere, die sich von den Blättern der heimischen Rosenarten ernähren, konnten mit den ausländischen Kreuzungen nichts mehr anfangen. Außerdem sind die unserem rauen Klima nicht angepassten, südländischen Rosenkreuzungen anfällig für Pilzerkrankungen und Schädlinge, mit denen eine heimische Wildrose leicht fertig wird. Es muss mit chemischen Mitteln nachgeholfen werden.

Die Wildrose hingegen erlitt seit Mitte des vorigen Jahrhunderts ein trauriges Schicksal. Seit 150 Jahren werden in der profitorientierten Waldwirtschaft aufgelichtete, mit lichthungrigen Rosenbüschen durchsetzte Hutwälder mit Bäumen aufgeforstet, natürliche Waldränder von Gestrüpp und Rosensträuchern befreit. Die moderne Agrarwirtschaft duldet keine Hecken mehr in der Landschaft, und wo sie noch bestehen, pflegt sie niemand mehr. Schwachwüchsige Wildrosen werden so von starkwüchsigem Gebüsch erstickt. Noch 1958 beschrieb der deutsche Botaniker Grimme im Raum Kassel 17 heimische Rosenarten, heute sind nur mehr bescheidene Reste einiger weniger Rosensträucher übriggeblieben. Viele ehemals häufige Rosenarten sind in freier Natur heute bereits vom Aussterben bedroht.

Die Tierwelt auf Wildrosen

tierweltIm Gegensatz zu ihren protzig-prachtvoll gezüchteten Verwandten werden Wildrosen von uns Menschen verächtlich als „Heckenrosen“, die häufigste Vertreterin der Art gar als „Hundsrose“ bezeichnet. Dabei handelt es sich hier um zarte Blumen von bescheidener, unaufdringlicher Schönheit und von unübertroffenem tierökologischem Nutzen.

Die Wildrose wird nicht zu Unrecht in erster Linie als Käferblume bezeichnet. An manchen natürlichen Standorten kann man mehr als 50 Käferarten darauf finden. Viele sitzen in den Blüten, wo sie entweder Pollen fressen oder in räuberischer Absicht auf Insekten lauern. Der bekannteste davon ist wohl der grünschillernde, pollenfressende Rosenkäfer, der im Jahr 1999 in Deutschland zum Insekt des Jahres ernannt wurde. Blattkäferarten gehen auf Rosenblätter los, Schimmelkäfer lassen sich den an Rosen üblichen Pilzbefall schmecken und die an Rosen zahlreich vorhandenen Blattläuse locken Marienkäfer oder Franzosenkäfer an. Auch das morsche Rosenholz wird genutzt: Bock- und Schnellkäferarten entwickeln ihre Larven darin.

Rosenblätter sind Raupenfutter für nicht weniger als 31 Arten von Kleinschmetterlingen: Zünsler, Holunderbär, Birkenspanner oder Schlehengeistchen. Rosenblüten locken im Frühsommer auch noch andere Insekten an: neben der Honigbiene holen sich davon Wildbienen, Hummeln und Schwebfliegen ihren Nektar. Schwebfliegenlarven ernähren sich von den Blattläusen der Rose, Blattschneiderbienen bauen aus Rosenblättern ihre Brutnester. An Rosenstängeln sitzen Zikaden und saugen am Pflanzensaft, Futter für Raub- und Blumenwanzen. Diese Vielfalt von Insekten lockt deren Feinde an: besonders im Spätsommer und Herbst findet man an Rosensträuchern Unmengen von Spinnen: Radnetzspinnen, Kugelspinnen oder Baldachinspinnen. Insektenfressende Vögel, wie Blaumeisen und Heckenbraunellen, holen sich ihr Futter von den Zweigen. In der Nacht sind es die Fledermäuse, die von dem reich gedeckten Tisch profitieren und Spitzmaus und Igel haben sich auf die Insektenfauna bodennaher Zweige spezialisiert. Auch in der vegetationsfreien Zeit haben Wildrosenbüsche ihren Wert für die Tierwelt: Hagebutten sind Herbst- und Winterfutter für 27 Vogel- und 19 Säugetierarten.

Wildrosen für den Garten

rosenbuschAngesichts der ernsten Situation der Wildrosen denken Naturschützer über Maßnahmen zu deren Rettung nach. Auf landwirtschaftlich stillgelegten Flächen und ungenützten Straßenrändern können Wildrosen angepflanzt werden, abgeholzte Waldränder können renaturiert werden. Eine Möglichkeit, wie jedermann etwas dazu beitragen könnte, ist die Anpflanzung von Wildrosen im eigenen Garten. Im Gegensatz zu den empfindlichen, arbeitsintensiven Zuchtrosen sind Wildrosen sehr robust und pflegeleicht. Sie müssen nicht gedüngt werden, da sie von Natur aus auf magerem Boden wachsen. Sie brauchen keinen Winterschutz. Da sie auf zweijährigem Holz blühen, sollte man sie möglichst wenig schneiden und höchstens alle paar Jahre einmal verjüngen, indem man alte Triebe herausnimmt. Sie vertragen es jedoch auch, bis zum Boden radikal zurückgeschnitten zu werden und treiben dann um so dichter wieder aus. Die meisten Wildrosen gedeihen an sonnigen, trockenen Standorten, es gibt jedoch auch schattenverträglichere Arten, wie Alpenheckenrose oder Essigrose. Hat man einen Garten mit staunassem Grund, wählt man die Zimt-rose: sie blüht in der Natur an feuchten Bachufern. Wildrosen lassen sich im naturnahen Garten sehr vielfältig einsetzen:

rosenzaunHohe, schnellwüchsige Arten, wie Buschrose (2-4m) oder Hundsrose (3-5m) passen in die wildwachsende Hecke als Grundstücksbegrenzung oder als schmucker Einzelstrauch in eine sonnige Gartenecke. Ihr dichtes, undurchdringliches Dornengestrüpp am Boden bietet einen hunde- und mardersicheren Nistplatz für Igel.

Apfelrose, Blaugrüne Rose und Filzrose gehören zu den kleinwüchsigeren Arten (bis zu 1,50m). Man pflanzt sie in Buschgruppen am Wegrand, einzeln in Vorgärten oder als niedere, wildwachsende Rosenhecke an den Gartenzaun – ein dorniger Schutz gegen Eindringlinge. Rosensträucher setzt man im Abstand von 1m.

rose_im_topfEssigrose, Zimtrose und die Deutsche Bibernellrose werden kaum höher als 60cm. Sie passen in Beete und Rabatten und gedeihen sogar in großen Steinguttöpfen. Bibernellrosen sind in der Natur besonders bedroht. Es gibt sie nur mehr an einem einzigen Standort in der Schwäbischen Alp.

rosenbogenDie einzige mitteleuropäische Kletterrose ist die Kriechrose. Sie blüht weiß und kann bis zu 3m hoch klettern. Man begrünt damit Mauern, Pergolen und alte Bäume. Als Bodendecker verwendet bildet sie ein ½m hohes, undurchdringliches Gestrüpp mit vielen Ausläufern.

(Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Autorin.)

Totholzhaufen: Winterquartier und Kinderstube für Tiere

In den Gärten wird im Winter aufgeräumt, gesägt und geschnitten. Es muss „ordentlich“ aussehen. Doch die von uns erdachte Ordnung ist eine andere als die, nach der sich die Natur richtet. Wir vernichten bewusst oder gleichgültig die Lebensgrundlage von Pflanzen und Tieren.

Doch gerade alte, morsche Bäume, Äste und Reisig, das sogenannte Totholz, stellt einen äußerst wichtigen Lebensraum dar. Es klingt wie ein Widerspruch, doch Alt- oder Totholz bedeutet Leben. Nicht nur Vögel und Insekten, auch Moose, Flechten und Pilze sind auf totes Holz angewiesen.

Irgendwo in Ihrem Garten ist sicher eine Fläche, wo eine Anhäufung von Altholz und Reisig nicht stört.

Im morschen, abgestorbenen Holz nisten ausgesprochene Spezialisten wie Wildbienen. Sie spielen bei der Befruchtung unserer Obstgehölze und Wildpflanzen eine wichtige Rolle. Keine Angst, diese kleinen Bienen stechen nicht. Käfer sind meist die ersten Bewohner im Totholz. Auch der selten gewordene Hirschkäfer braucht totes Holz zum Leben.

Kleinsäuger und Vögel stehen an der obersten Stelle der Lebenskette. Sie finden im Altholz Nahrung und damit die Sicherung ihres Nachwuchses.

Wenn Sie sich dafür entscheiden, eine Totholzfläche zu schaffen, zu belassen und zu schützen, dann sichern Sie damit Leben. Und Sie werden den Kreislauf der Natur beobachten können, ein Wunder in Ihrem Garten.

(Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Autors.)